Am 24.11.21 haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Neben wenigen positiven, enthält dieser vor allem Vorhaben und Gesetzesveränderungen, die auf negative Weise massiv in die Rechte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen eingreifen.
Begrifflichkeiten
Die sprachliche Unsichtbarmachung von LGBs wird auch im Koalitionsvertrag deutlich. Es wird 7 Mal das Wort „queer” verwendet, kein einziges Mal das Wort lesbisch/ Lesbe, kein einziges Mal das Wort schwul/ Schwuler oder bisexuell und nur einmal das Wort ‚homosexuell‘ einzig im Wort „homosexuellenfeindliche“.
Einführung des sog. Selbstbestimmungsgesetzes (Self-ID)
Die neue Regierung will „[…] das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen.” Weiterhin heißt es:
Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der GKV übernommen werden. Wir werden im Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung Umgehungsmöglichkeiten beseitigen. Für Trans- und Inter-Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind, richten wir einen Entschädigungsfonds ein. Wir werden die Strafausnahmen in § 5 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen aufheben und ein vollständiges Verbot auch von Konversionsbehandlungen an Erwachsenen prüfen.
(S.119-120)
Jeder Mensch soll also mit einem einfachen Behördengang per Sprechakt den Eintrag seines biologischen Geschlechts durch eine gefühlte Geschlechtsidentität ersetzen lassen können.
Geschlechts-OP’s wie die Entfernung der Brust (Mastektomie) bei Frauen oder das Bilden einer sog. „Neovagina“ durch Verstümmelung des Penis und Hoden bei Männern, die erhebliche gesundheitliche und psychische Leiden nach sich ziehen können, sollen von den Krankenkassen vollständig übernommen werden. Es stellt sich die Frage, mit welcher Begründung, wenn es keinerlei psychologische Evaluation auf Leidensdruck mehr gibt?
Wir halten diese Gesetzesänderung besonders für junge LGBs für sehr gefährlich und untragbar.
Jugendliche befinden sich noch in einer Findungsphase, viele LGBs berichten, dass sie sich in ihrer Jugend nicht für ihr Geschlecht stereotypisch verhielten und/ oder kleideten.
Es ist oft ein Prozess, bis man vollständig akzeptieren kann, homosexuell zu sein. In dieser Phase sind Jugendliche besonders vulnerabel und anfällig für Ideen wie der, „im falschen Körper geboren“ zu sein. Um diesem Prozess der Auseinandersetzung mit der sexuellen Orientierung zu entkommen, kann es einfacher erscheinen, per Sprechakt sein rechtliches Geschlecht zu wechseln, um fortan als heterosexuell zu gelten.
Dies ist zutiefst homophob und eine neue Art der Konversionstherapie.
Irreversible psychische und physische Schäden durch bspw. bereits genannte Operationen können die Folge sein.
Zusätzlich macht dieses Gesetz lesbische bzw. schwule Safe-Spaces unmöglich.
Wenn jeder Mann sich zur Frau erklären kann und sich somit auch als „Lesbe“ definieren kann, wird es zukünftig keine sicheren Räume für Lesben mehr geben.
Lesbische Frauen können fortan nicht mehr wissen, ob nicht auch Männer anwesend sind (und selbst wenn sie es wissen, darauf aufmerksam zu machen kann unter dem Offenbarungsverbot rechtlich geahndet werden) und somit wird der einst sichere Raum unsicher.
Es besteht bspw. die Gefahr, dass männliche Gewalttäter dieses Prozedere ausnutzen, um sich Zugang zu lesbischen Räumen zu ermöglichen. Schon jetzt ist das ein Problem in der lesbischen Szene.
LGB wird die legale Grundlage entzogen, Heterosexuelle bzw. Leute des anderen Geschlechts aus unseren Räumen zu weisen.
Sexuelle Orientierungen basieren auf dem biologischen Geschlecht eines Menschen und dem seines oder ihres Partners bzw. ihrer oder seiner Partnerin. Sexuelle Orientierung kann nicht mehr definiert werden, wenn der Geschlechtswechsel per Sprechakt ermöglicht wird und dadurch das biologische Geschlecht legal ausgelöscht wird. Dies erschwert es LGBs massiv, sich für ihre Rechte einzusetzen oder sich über unsere spezifischen Probleme auszutauschen.
Plötzlich hätte potentiell jeder einen Anspruch nicht nur auf unsere Räume, sondern auch auf Unterstützungsmaßnahmen, Gelder und Positionen in Vereinen spezifisch für Homo- und Bisexuelle. Jeder könnte potentiell in unserem Namen sprechen mit dem Recht, das notfalls einzuklagen.
Die Möglichkeit, uns zu wehren, wird uns unter Androhung von Strafe genommen.
Außerdem soll §5 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen gestrichen werden. Dieser Paragraph liest wie folgt:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 2 eine Konversionsbehandlung durchführt.
(2) Absatz 1 ist nicht auf Personen anzuwenden, die als Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge-oder Erziehungspflicht gröblich verletzen.
Demnach könnten sich Eltern strafbar machen, wenn sie ihrem Kind erklären, dass es nicht im falschen Körper geboren ist und dass man sein Geschlecht nicht wechseln kann, um die Kinder bspw. vor operativen Eingriffen am gesunden Körper zu schützen.
Dies halten wir für einen gefährlichen Eingriff in die Erziehungshoheit der Eltern.
Eltern, die der sexuellen Orientierung ihres Kindes gegenüber wertschätzend und akzeptierend auftreten, können eine sehr wichtige Ressource zur eigenen Akzeptanz für junge LGBs sein. Diese Ressource wird Jugendlichen im Findungsprozess entzogen, wenn sich die Eltern durch oben genanntes strafbar machen.
Offenbarungsverbot
Zu § 4 (Offenbarungsverbot)
BT Drucksache 19/19755 (S. 19)
Die Vorschrift soll den Betroffenen vor einer Offenbarung bzw. Aufdeckung des früheren Geschlechtseintrages sowie der von ihnen vor der Entscheidung geführten Vornamen und ggf. des Nachnamens schützen. Dies schließt das Recht auf eine Anrede ein entsprechend der neuen Vornamen, des neuen Namens und des neuen Geschlechtseintrages. Beim Vorliegen von besonderen Gründen des öffentlichen Interesses (zum Beispiel im Ermittlungsverfahren) bzw. im Falle der Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses (zum Beispiel eines Gläubigers) dürfen die vor der Entscheidung geführten Vornamen und ggf. der Nachname sowie der frühere Geschlechtseintrag ausgeforscht und, wenn erforderlich, offenbart werden.
Wird der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes der Grünen vom 10.06.2020 umgesetzt, werden Lesben transidente Männer nicht mehr aufgrund ihres Geschlechts ablehnen können, da Nennen des wahrgenommenen Geschlechts gegen das Offenbarungsverbot verstoßen würde.
Das beraubt lesbische Menschen der Möglichkeit, sexuelle Interaktionen mit biologisch männlichen Personen generell und im Voraus mit Bezug auf die eigene sexuelle Orienteriung abzulehnen.
Gleiches gilt für Schwule und Bisexuelle.
Dies ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Meinungsfreiheit
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Art. 5 Abs. 1 GG
und die Persönlichkeitsfreiheit.
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Art. 2 Abs. 1 GG
Selbstbestimmung für Transpersonen ist Fremdbestimmung für alle anderen.
Hasskriminalität: Geschlechtsidentität
Geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe werden wir in den Katalog der Strafzumessung des § 46 Abs. 2 StGB explizit aufnehmen. Die Polizeien von Bund und Ländern sollen Hasskriminalität aufgrund des Geschlechts und gegen queere Menschen separat erfassen.
(S. 119)
Diese Maßnahme begrüßen wir, doch stellt sich die Frage, wie das ohne eine abgrenzende Definition von homosexuell oder Geschlecht funktionieren soll.
Wenn jeder jedes Geschlecht sein kann, wenn eine Frau, die nur Männer liebt, auf Wunsch nun schwul sein kann, wie kann Hasskriminalität nach Geschlecht und Sexualität erfasst werden? Wie kann diese Maßnahme spezifisch sein?
Aus genannten Gründen warnen wir dringendst vor der Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes.
Sexuelle Identität im Grundgesetz
Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein Verbot der
(S. 121)
Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzen […].
Die Aufnahme des Begriffes „sexuelle Identität” ins Grundgesetz lehnen wir ab, da er auf keiner klaren Definition beruht. Selbst Paraphilien werden in Publikationen als sexuelle Identität bezeichnet.
Wir bevorzugen den Begriff „sexuelle Orientierung” basierend auf dem biologischen Geschlecht eines Menschen (homosexuell, bisexuell, heterosexuell) und eine Aufnahme ebenjenes Begriffes ins Grundgesetz.
Jahrhundertelang wurden wir als angebliche Perverse und Pädophile diffamiert und gejagt. Durch diese gesellschaftliche Assoziation gegen unseren Willen erleben wir immer wieder, wie Pädophile sich ermuntert fühlen zu versuchen, an die LGB Community anzudocken. Dies lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab!
Wenn sexuelle Identität Schutz durch das Grundrecht erhält, ohne jegliche einschränkende Definition, bedroht das Kinder. Nur noch das Strafrecht stünde Pädorechtsaktivisten im Weg. Ein Recht, das erheblich einfacher geändert werden kann als das Grundgesetz.
Wer sagt, dass es demnächst nicht auch noch Kampagnen dafür geben wird, das gefühlte Alter im Namen der Freiheit und der persönlichen Entfaltung legal selbst bestimmen zu können?
Aktionsplan geschlechtliche Vielfalt an Schulen
Um Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, erarbeiten wir einen ressortübergreifenden Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und setzen ihn finanziell unterlegt um. Darin unterstützen wir u. a. die Länder bei der Aufklärung an Schulen und in der Jugendarbeit, fördern Angebote für ältere LSBTI und bringen in der Arbeitswelt das Diversity Management voran, insbesondere im Mittelstand und im öffentlichen Dienst. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld sichern wir dauerhaft im Bundeshaushalt ab.
(S. 119)
Genderideologie soll an Schulen gelehrt werden.
Das halten wir nicht nur für extrem gefährlich, es ist auch mit der Glaubensfreiheit nicht vereinbar, da Queer-Theorie ein unbelegtes und unbelegbares Glaubenssystem ist.
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Art. 4 Abs. 1 GG
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Art. 5 Abs. 3 GG
Junge LGBs bekommen die Idee der „Gender(seele)“ „im falschen Körper“ durch Schulen beigebracht, was unvereinbar ist mit dem Schutz unserer Rechte und dem Verbot von Konversionstherapie an Bi- und Homosexuellen!
Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, wird aufgehoben
Das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, sowie für Trans-Personen schaffen wir ab, nötigenfalls auch gesetzlich.
(S. 120)
Eine sinnvolle Maßnahme, die dazu beiträgt, schwule und bisexuelle Männer im Gegensatz zu anderen Gruppen nicht länger als sexuell krank zu stigmatisieren.
Abstammungsrecht
Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.
(S. 101)
Dies wäre ein wichtiger Fortschritt für Lesben mit Kinderwunsch. Die rechtliche Absicherung des Kindes und seiner Mütter ist für uns ein wesentlicher Punkt. Wir warten auf eine detailliertere Ausgestaltung der Koalitionsparteien.
LGB Alliance Deutschland