LGB und Dysphorie

Im Januar haben wir Lesben, Schwule und Bisexuelle gefragt, ob sie sich als Kind unwohl mit ihrem Körper gefühlt haben und wie sie schließlich darüber hinweggekommen sind. Die folgenden Geschichten zeigen, dass Genderdysphorie kein Schicksal und die Transition nicht die einzige Heilung ist. Es sind Geschichten über die Resilienz homosexueller und bisexueller Kinder, die schließlich zu gleichgeschlechtlich liebenden Erwachsenen heranwuchsen.
Homo- und bisexuelle Kinder hinterfragen oft, was es heißt, ein Mädchen oder ein Junge zu sein.

endlich dem performativen Weiblichen entkommen

Ich bin aufgewachsen als Mädchen von sowjetischen Spätaussiedlereltern. In meiner Familiengeschichte gab es keine Rast, ständige Ortswechsel, Kriegsgefangenschaft, die Flucht aus der Sowjetunion, die Annahme einer neuen Identität. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass es Erwartungen an mich gab, die Erwartung, ein tolles Leben zu führen und erfolgreich zu sein, endlich aufzusteigen.

Das bis heute bestehende Fremdheitsgefühl meiner Familie trug dazu bei, im Kern nach einer verlorenen Heimat zu suchen. Ich lernte ihre Sprache, die Kultur und wie ich zu sein hatte als Frau. Das Frauenbild unterschied sich tatsächlich nicht groß von dem unserer Umgebung und es wirkte wie eine Anpassung auf beiden Seiten.

Als ich fünf Jahre alt wurde, brachte mir mein Großvater meinen ersten Gameboy, er hatte ihn in einem zu verschrottenden Auto mit Ladekabel und drei Spielen gefunden. Im Kindergarten schaute ich dann gerne den Jungs beim Pokémonspielen zu. Comics und Sammelkarten wurden beliebter, ich fing immer weiter an mit begrenzten Mitteln in diese Welten einzutauchen. Auf der anderen Seite versuchten meine Eltern, mich immer dazu zu bewegen, mich mal mit den Mädchen anzufreunden. Bei den Mädchen war ich unbeliebt, ich hatte keine schönen Kleider und spielte nicht gern mit Puppen.

Im frühen Jugendalter fing ich an, über japanische Anime-Rockmusik Metal zu hören. Ich wollte mich abgrenzen, diese Erwartung, diese Mädchen, das war alles nicht meine Welt. Ich versuchte, mich äußerlich dem männlichen Stereotyp eines Metalhörers anzupassen. Die Mädchen in meiner Klasse am Gymnasium wollten mich nicht annehmen, obwohl ich immer eine hohe Akzeptanz und eine hohe Anpassungsgabe hatte, auch wegen meinen Eltern. Ich wurde im Schullandheim nachts im November ausgesperrt, in einen Schrank gesperrt, gefesselt, meine Kleidungsstücke wurden an einem Fahnenmast hochgezogen. Ich wollte weg von dieser Gruppe.

Über das Internet entdeckte ich Veranstaltungen zu den Themen, die mich interessierten, Metalkonzerte, Brett- und Kartenspielabende und Animeconventions. Ich lernte Gleichgesinnte kennen, um einiges ältere Männer. In erster Linie war ich glücklich, ich erkannte die Schieflage nicht, ich wurde immer als reif für mein Alter bezeichnet. Es war klar, dass das auf Dauer nicht gut gehen konnte. Es musste zu den ersten sexuell negativ prägenden Erfahrungen kommen, damit ich realisierte, was ich für diese Männer war.

Durch den in der Metal- und Gamingcommunity gelernten Frauenhass und die negativen Erfahrungen in meiner Jugend distanzierte ich mich immer mehr von anderen Frauen und mir selbst.

Durch den in der Metal- und Gamingcommunity gelernten Frauenhass und die negativen Erfahrungen in meiner Jugend distanzierte ich mich immer mehr von anderen Frauen und mir selbst. Erst durch das Interesse an Politik, an Feminismus, lernte ich etwas über die Frauen um mich herum, ich lernte, sie zu verstehen, ich kam mit ihnen ins Gespräch und schilderte meine Standpunkte. Ich verstand auch meine Mutter, ich verstand, wieso sie sich in ihre positive Blase zurückzog, was in ihr los war, welche Erwartungen an sie als meine Mutter gestellt werden.

Hätte mir damals jemand gesagt, ich wäre eigentlich ein Junge, hätte ich dieser Person geglaubt. Ich hätte auch mit einer Transition begonnen, nur um endlich dem performativen Weiblichen zu entkommen. Ich bin erst zwanzig Jahre alt, aber wenn ich bedenke, wie ich damals mit vierzehn Jahren dachte, habe ich mich massiv verändert.

von Hannah*

Die Fotos dienen als Erinnerung daran, dass Selbstakzeptanz Heilung bedeutet

„Du sahst ja aus wie ein Püppchen!“, diesen Satz höre ich oft. Mittlerweile lache ich darüber.

Der Teenager auf diesen alten Fotos ist hübsch und schlank und todesunglücklich.

Der Teenager auf diesen alten Fotos ist hübsch und schlank und todesunglücklich. Wenn du merkst, dass du irgendwie anders bist, versuchst du zu kompensieren. Du stürzt dich in die Diäten und die ganzen Schönheitsrituale, bis du dich selbst nicht mehr im Spiegel erkennst. Ich habe diese Komplexe lange mit mir herumgetragen – bis ich entschied, dass ich die ganze Energie, die ich krampfhaft für die Anpassung an meine Umwelt aufwand, für andere Dinge brauchte. Wichtigere Dinge. Heutzutage bin ich mollig und androgyn – immer noch lesbisch – und glücklich. Die Fotos dienen als Erinnerung daran, dass Selbstakzeptanz Heilung bedeutet.

von Robin*

Wenn Heranwachsenden gesagt wird, Anziehung zum anderen Geschlecht sei ein zwingender Teil des Erwachsenwerdens, kommen homosexuelle Teenager möglicherweise zum Entschluss, dass etwas Grundlegendes mit ihnen nicht stimmt.

Sie sagte, diese ganze Jungensache sei Unsinn

Ich war immer ein Tomboy. Meine Schwestern standen auf Rosa und Barbiepuppen, Prinzessinnen und Glitzer. Mein bester Freund war ein Junge, der zwei Jahre jünger war als ich. Wir spielten im Dreck, fuhren Fahrrad und kletterten auf Bäume.

Als ich etwa elf Jahre alt war, 1988, begann ich zu denken, dass ich vielleicht ein Junge sei. Der Begriff „Geschlechtsdysphorie“ war damals noch nicht so geläufig wie heute, ich hatte also keine Ahnung, was es damit auf sich hatte. Ich hatte mich immer jungenhaft gekleidet – Jeans und T-Shirts – ich hasste Kleider und Schickimicki. Ich experimentierte sogar mit Spitznamen und bestand darauf, dass meine Mutter mich Jay oder sogar (oh Gott – wie peinlich) Colt nannte, weil ich eine Figur in einem Westernfilm aus den 70er Jahren gesehen hatte.

Ich sagte meiner Mutter, dass ich meine ein Meter langen Haare abschneiden wollte, aber sie weigerte sich beharrlich. Sie sagte, diese ganze Jungensache sei Unsinn, und ließ mich nichts anderes tun, als mich entsprechend zu kleiden. Sie muss gewusst haben, dass dies ein normaler Teil der Selbstfindung eines homosexuellen Teenagers ist.

Ich wusste nicht, dass Operationen oder Hormone eine Option waren – Gott sei Dank – da sie damals noch nicht so verbreitet waren wie heute. Einige Jahre später, im Alter von dreizehn Jahren, habe ich mich meiner Mutter gegenüber als lesbisch geoutet. Sie war nicht überrascht, denn in meiner Familie gibt es viele Lesben, meine Großmutter, meine Mutter selbst ist bisexuell, drei Tanten sind Butches, und eine meiner Schwestern ist bi.

Es dauerte lange, bis ich mich mit meinem Körper wohlfühlte – ich kleidete mich bis in meine zwanziger Jahre hinein maskulin und vermied figurbetonte Kleidung, und etwa zur gleichen Zeit begann ich, mich mit dem Begriff „lesbisch“ anzufreunden – obwohl ich mich mit meiner Sexualität selbst nie unwohl fühlte, nur mit der Terminologie. Ich bin jetzt in meinen Vierzigern, gesund und offen lesbisch. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich meinen unreflektierten, jugendlichen Impulsen nicht nachgehen durfte.

Hätte man mir eine doppelte Mastektomie erlaubt oder mir als Teenager Hormone verschrieben, wäre ich jetzt am Boden zerstört, weil ich meinem Körper irreparablen Schaden zugefügt hätte.

Das Spiel mit dem Geschlechtsausdruck und das Gefühl, sich mit sich selbst und seinem Körper unwohl zu fühlen, sind alles NORMALE Bestandteile der Pubertät und der Adoleszenz. Hätte man mir eine doppelte Mastektomie erlaubt oder mir als Teenager Hormone verschrieben, wäre ich jetzt am Boden zerstört, weil ich meinem Körper irreparablen Schaden zugefügt hätte – und wäre vielleicht sogar in den Selbstmord getrieben worden, weil ich wüsste, dass ich selbst schuld daran gewesen wäre.

Ich mache mir Sorgen um die Jugendlichen, die das jetzt durchmachen, angeheizt durch die sozialen Medien, ihre Gleichaltrigen, denen auch das Ganze vorgegaukelt wird, wie die frei verfügbare Pornografie, Online-Grooming und Eltern, die Angst haben, als „transphob“ abgestempelt zu werden, weil sie ihren Kindern nicht erlauben, sich dauerhaft zu entstellen. Wir erlauben Kindern nicht, sich tätowieren zu lassen, weil die Tattoos dauerhaft sind und „du es bereuen könntest, wenn du älter bist“, aber Genitaloperationen sind ok?

In weiteren zehn Jahren wird es entsetzlich sein, wenn die langfristigen Auswirkungen dieser Gehirnwäsche, der Operationen und Hormone, sowohl körperlich als auch seelisch, ans Licht kommen. Diese Kinder müssen lernen, mit den schwierigen Gefühlen in einer Therapie umzugehen – nicht auf chirurgische Weise. Mein Herz blutet für sie.

von Emma*

Als LGB fallen wir aus herkömmlichen Geschlechterrollen heraus. In manchen Kindern erzeugt das Leidensdruck. Dieser Leidensdruck legt sich für viele, die sich nach der Pubertät mit ihrer sexuellen Orientierung abfinden.

Es wurde schlimmer, als das erste Mal die Periode kam

Mit zwölf hat das meiste bei mir begonnen, da ich gerne Videospiele gespielt habe, mehr Hosen getragen habe als Kleider und ich mich nicht geschminkt habe. Die meisten Jungs haben mich auch anders behandelt als die Mädchen in unserer Klasse. Ich hatte ab und an bei meinen Eltern erwähnt, dass ich mich mehr wie ein Junge fühle, aber was die zum Glück ignoriert haben.

Es wurde schlimmer, als das erste Mal die Periode kam. Ich habe angefangen meinen Körper zu hassen und wollte dringend eine Hysterektomie, ohne zu wissen, was es war. (Da ich zwölf war, wusste ich nicht, wie das heißt.) Nachts habe ich geweint und davon fantasiert, wie es wäre, ein Junge zu sein.

Meistens ging es in meiner Fantasie darum, dass ich ohne Probleme Hosen tragen und im Dreck spielen konnte.

Meistens ging es in meiner Fantasie darum, dass ich ohne Probleme Hosen tragen und im Dreck spielen konnte. Niemand sagte mir, dass ich öfters lächeln soll und ab und an Kleider tragen muss. Ich konnte so sein, wie ich es wollte. Erst mit sechzehn wurde das weniger. Ich hatte akzeptiert, dass ich weiblich war und es nicht ändern konnte, aber ich hasste meinem Körper immer noch.

All dies verschwand fast erst, als ich zwanzig war. Und mit fünfundzwanzig hatte ich gelernt, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist, ich hasse ihn nicht mehr und freue mich, dass der ganze Horror vorbei ist. Was meinen Hass auf meinem Körper so sehr verstärkt hat, war, dass ich Frauen im Internet gesehen habe und mich damit nicht identifizieren konnte. Ich bin so froh, gelernt zu haben, dass Frauen nicht immer feminin sein müssen, es gibt auch maskuline Frauen! Das macht die nicht zu Männern!

von Miriam*

Eine schwule deutsche Kindheit

Ich wurde 1977 in Stuttgart als Junge geboren und wuchs in einem Dorf im Umland auf. Im Kindergarten spielte ich fast immer mit den Mädchen in der Puppenecke. Zum Geburtstag wünschte ich mir eine Puppe.

Die Spiele der Jungs machten mir selten Spass. Später in der Schule habe ich die Mädchen oft beneidet, dass sie im Sportunterricht Jazztanz und Sportgymnastik machen durften, während ich mich bei den Jungs mit langweiligem Ballsport herumplagen musste. Meine Eltern waren sehr im örtlichen Turnverein aktiv. Allerdings turnten nur die Mädchen. Wir Jungs mussten uns mit Leichtathletik abfinden. Jedes Jahr gab es eine Weihnachtsfeier und die Mädchen führten ihre Turnkünste mit Musikbegleitung vor. Ich kann mich daran erinnern, wie ich jedes Jahr sehnsuchtsvoll dastand und mitmachen wollte. Mich so elegant und graziös bewegen wie sie. So gesehen werden wie sie.

Für meine Umgebung war ich der grobschlächtige Junge, der sich nicht so benahm, wie ein Junge sich benehmen sollte. Das wurde nie so deutlich artikuliert, aber missbilligende Blicke oder Kommentare reichen aus, um ein Kind das spüren zu lassen. Ich kann nicht sagen, dass ich mich in meinem Körper unwohl gefühlt habe. Ich habe mich als Aussenseiter gefühlt und wurde ausgegrenzt, weil ich mich nicht den gängigen Geschlechterrollen entsprechend benahm. Ich wollte einfach die Dinge tun, die ich tun wollte. Aber Ballett und Reiten, das machten nur die Mädchen, hiess es. Ab einem gewissen Alter, so ab der zweiten oder dritten Klasse, wollten die Mädchen mich nicht mehr beim Gummihüpfen auf dem Pausenhof dabeihaben und meine beste Freundin kam nachmittags auch nicht mehr zum Spielen vorbei. Mit den Jungs konnte ich nicht viel anfangen. Ich verstand nie wirklich, wie sie tickten.

Also flüchtete ich mich ins innere Exil und las. Bis zum Abitur fast jedes Buch in der Ortsbibliothek. Hätte mir damals jemand gesagt, ich könnte so sein wie die Mädchen und machen was sie tun, ich müsste nur ab und zu ein paar Spritzen kriegen und mir einen Mädchennamen aussuchen, ich hätte sofort ja gesagt.

Kein Kind möchte ein einsamer Außenseiter sein.

Kein Kind möchte ein einsamer Außenseiter sein. Als ich dann später in die Pubertät kam und sich die Sexualität regte wurde mir klar, dass ich ausschließlich auf Jungs stehe. Ich machte zwei Versuche mit Mädchen, aber ihr Körper stieß mich ab. Stattdessen fantasierte ich ständig von Sex mit meinen Klassenkameraden. Schwul! Das gab es im Schwabenland der frühen neunziger Jahre nicht. Es gab keine Vorbilder, keine Informationen, nichts. Ein paar homophobe Witze und unsympathische, lächerlich gemachte Schurken bei James Bond. Das war alles. Ich dachte, ich sei der einzige überhaupt und fühlte mich mutterseelenallein. Ich hatte Angst, meine Eltern würden mich aus dem Haus werfen, wenn sie es erführen. Also verschloss ich mich noch mehr in mich selbst und dachte in dieser Zeit oft an Selbstmord.

Mit meinem Körper hatte das wenig zu tun. Ich wollte nur so sein wie alle anderen. Nicht so ein lächerlicher, verachteter Schwuler! Ich las die BRAVO und beim Dr. Sommerteam stand schwul sein sei nur so eine Phase. Ich hoffte inständig, es möge so sein. Aber es war keine Phase und als ich achtzehn war, beschloss ich, ich müsste mich damit abfinden, dass es so ist und habe mich nach und nach geoutet. Meine Eltern warfen mich zeitweise tatsächlich aus dem Haus, aber das ist eine andere Geschichte.

Als Erwachsener habe ich meine Sexualität als schwuler Mann immer sehr genossen und ich möchte heute niemand anderes sein als der, der ich heute bin. Irgendwie habe ich es als Teenager geschafft, mich von der allgemeinen Homophobie, in der ich aufwuchs, innerlich zu distanzieren. Ich machte mir klar, dass nichts daran falsch sein kann, jemanden zu lieben oder zu begehren, egal welches Geschlecht derjenige hat. Vielmehr war etwas falsch an einer Gesellschaft, die Menschen wie mich unterdrückte.

Wenn ich über meine Kindheit reflektiere, denke ich, was ich damals gebraucht hätte, wäre eine Umgebung gewesen, die mir das Gefühl gibt, ich kann so sein, wie ich bin und machen, was ich möchte, und das ist völlig in Ordnung, solange dabei niemand zu Schaden kommt. Hätte ich als Junge turnen, Ballett tanzen und reiten dürfen, ohne von meiner Umgebung dafür schief angeguckt zu werden, hätte ich wohl eine schöne Kindheit gehabt. Hätte es in meiner Pubertät positive schwule Vorbilder gegeben und wäre meine Umgebung nicht homophob gewesen, hätte ich wohl auch nicht mit meiner Sexualität gehadert.

Heutzutage hätte man mich allerding als Kind sicher als gender-dysphorisch diagnostiziert und einer Behandlung mit Pubertätsblockern unterzogen, um mich auf eine Geschlechtsumwandlung vorzubereiten. Das ist für mich eine absolute Horrorvorstellung und ich bange um die Kinder, die heute aufwachsen und als Junge gerne Mädchensachen machen wollen oder als Mädchen Jungssachen und dann erzählt bekommen, sie seien im falschen Körper geboren. Mir erscheint es, als ob man versucht, die Kinder geradezubiegen, anstatt gesellschaftlich zu verankern. Es ist okay, sich als Mädchen maskulin zu benehmen und als Junge feminin.

von Michael*

Manch ein homosexueller Junge sieht im Fernsehen, dass sich der Prinz in die Prinzessin mit den schönen Haaren verliebt und beginnt, sich in die Rolle dieser Prinzessin zu träumen. Das muss nicht mit einer Ablehnung des eigenen Geschlechts einhergehen, dennoch passiert das in seltenen Fällen. Homosexuelle Vorbilder zu haben kann die Selbstsicherheit stärken.

Ich habe nie zuvor mitbekommen, dass es Frauen gibt, die in Frauen verliebt sind

So lang ich denken konnte, wollte ich ein Junge sein. Ich habe einen jüngeren Bruder, der mir immer vorgezogen wurde; besonders von meinem Vater, der meine Hauptbezugsperson war. Mit ca. zehn Jahren hatte ich ein Doppelleben: als Mädchen und als Junge, baute mir sogar einen parallelen Freundeskreis auf, wo ich als Junge bekannt war. Es war nur kurz, ein paar Wochen, da einer der Jungs was geahnt hat und es unbedingt rausfinden wollte. Er bestand darauf, zusammen pinkeln zu gehen und als mir die Ausreden ausgegangen waren, bin ich nicht mehr hin gegangen.

Ich habe wirklich Nächte und Tage, ich denke sogar Jahre damit verbracht zu träumen, ich sollte ein Mann werden.

Mit ca. elf Jahren habe ich mich in ein Mädchen verliebt. Ich habe nie zuvor mitbekommen, dass es Frauen gibt, die in Frauen verliebt sind. Und ich quälte mich mit Vorstellungen, wie schön es wäre, wenn ich ein Junge wäre. Ich habe wirklich Nächte und Tage, ich denke sogar Jahre damit verbracht zu träumen, ich sollte ein Mann werden. Dass es nicht möglich war, hat mich vor einer „Transition“ gerettet. Heute wäre ich transitioniert, nichts hätte mich davon abhalten können.

Dass mein Körper bewertet wird, dass mein Körper minderwertig ist, war mein Begleiter ab der Pubertät und viele viele Jahre. Angst vor Schwangerschaft und Träume von amputierten Gebärmuttern hatte ich auch mehrere Jahre. Magersucht (die ich nicht erkannt habe, weil als Sportlerin unbemerkt zu Gewichtsreduktion mich selbst angetrieben habe) war auch kurz da. Zum Glück wirklich kurz, denn beim Training immer wieder ohnmächtig zu werden fand ich doch sehr blöde. Selbstschädigendes Verhalten kam durch mein sexuelles Verhalten – und hier brauchte ich mehrere Jahre, um mich von dem Trieb „Bestätigung aus sexuellen Begegnungen holen“ zu befreien.

Nach diesen allen Erfahrungen bin ich meinem Körper endlich dankbar, dass er gesund und fit und unversehrt geblieben ist, dass ich Kinder bekommen habe und das einzige, was ich bedauere, ist, dass ich erst als reife erwachsenen Frau so weit bin, meinen Körper nicht mehr aus Männerblick zu sehen. Mit Blicken der Frauen komme ich klar.

von Nora*


* Namen von der Redaktion geändert

Die meisten homo- und bisexuellen Kinder, die sich unwohl mit ihrem Körper fühlen, lernen schließlich, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Es hilft, wenn die Eltern das ebenfalls tun.

Jameson L, de Kretser DM, Marshall JC, De Groot LJ (2013). Endocrinology Adult and Pediatric: Reproductive Endocrinology. Elsevier Health Sciences. ISBN978-0323221528.

Kreukels B, Steensma TD, de Vries A (2013). Gender Dysphoria and Disorders of Sex Development: Progress in Care and Knowledge. Springer Science & Business Media. ISBN978-1461474418.

LeVay S (2010). Gay, Straight, and the Reason Why: The Science of Sexual Orientation. Oxford University Press. ISBN978-0199753192.

Ristori J, Steensma TD (2016). „Gender dysphoria in childhood”. International Review of Psychiatry.
DOI: 10.3109/09540261.2015.1115754.

LGB Alliance Deutschland